Die jüngsten Fortschritte in der Entwicklung von Therapien auf dem Gebiet der Rheumatologie, insbesondere durch die Entwicklung der so genannten Biologika, hat mittlerweile zu einem breiten Angebot an therapeutischen Optionen geführt.
Der beeindruckende Erfolg der ersten Biologika die das pro-inflammatorische Zytokin Tumor Nekrose Faktor-alpha (TNF-alpha) blockieren, hat zudem eine bis heute nicht abreißende Entwicklung neuer und gezielter Therapieansätze (daher auch der häufig verwendete Terminus der „targeted therapies“) initiiert.
Im Folgenden sollen die wichtigsten derzeit etablierten neuen Therapien in der Rheumatologie kurz dargestellt werden. Weiters werden Therapiekonzepte die sich momentan zwar noch in Erprobung befinden, deren Zulassung in naher Zukunft jedoch zu erwarten ist, beschrieben werden.
TNF-alpha Blocker
Drei verschiedene anti-TNF-alpha Medikamente – Infliximab (Remicade®; ein chimärer anti-TNF-alpha Antikörper), Etanercept (Enbrel®; ein Konstrukt aus dem TNF Rezeptor 2 und dem Fc Anteil von IgG), Adalimumab (Humira®, ein humaner anti-TNF-alpha Antikörper) sind derzeit für die Therapie der RA und anderer rheumatologischer Erkrankungen wie z.B. der Psoriasisarthritis oder der ankylosierenden Spondylarthropathie (AS) zugelassen. Die Blockade von TNF-alpha ist hochwirksam. So kann durch eine Kombination eines TNF-Blockers mit dem etablierten Basistherapeutikum (disease modifying anti-rheumatic drug; DMARD) Methotrexat (MTX) eine ca. 50%ige Verbesserung der klinischen Symptome in ca. 50-70% der behandelten Patienten erreicht werden [1, 2].
Zwei zusätzliche anti-TNF Antikörper, Golimumab und Certolizumab, wurden vor kurzem in verschiedenen Ländern für die Behandlung der RA zugelassen. Während für beide Präparate kein wesentlich unterschiedliches Risk-Benefit Profil im Vergleich zu den anderen TNF-Blockern erwartet wird, offerieren sie doch zusätzliche Behandlungsoptionen.
Golimumab (Simponi®) ist eine humaner anti-TNF Antikörper der für die s.c. Applikation in monatlichen Abständen getestet wurde [3, 4]. Certolizumab (Cimzia®) ist ein pegylierter humaner anti-TNF Antikörper (polyethylene glycolated Fab´ fragment), der durch die Pegylierung nur aus dem Fab Fragment des Antikörpers besteht und ohne einen Fc Anteil auskommt. Dadurch soll es zu einer Verringerung der Fc-Anteil-mediierten Nebenwirkungen (Bildung von Auto-antikörpern, Antikörper-mediierte Zytotoxizität und Zell-mediierte Zytotoxizität) kommen und weiters eine längere Halbwertszeit erreicht werden [5-7].
Nach mehr als 10 Jahren klinischer Erfahrung mit TNF Blockern hat sich gezeigt dass ihre Wirksamkeit im Vergleich untereinander zwar ähnlich zu werten ist, dass Patienten jedoch fallweise individuell unterschiedlich auf die einzelnen Präparate reagieren. Patienten können daher durchaus, nach Versagen oder einem zunehmenden Wirkungsverlust eines TNF Bockers, von dem Wechsel auf einen anderen TNF Blocker profitieren [3]. Diese Tatsache rechtfertigt daher auch bis zu einem gewissen Grad die Entwicklung neuer Präparate innerhalb dieser Substanzklasse.
Blockierung von weiteren pro-inflammatorischen Zytokinen
TNF-alpha ist bei weitem nicht das einzige Zytokin das in der Pathogenese der RA eine Rolle spielt. Derzeit nimmt man an, dass ein Zusammenwirken von verschiedenen pro-inflammatorischen Zytokine wie TNF-alpha und IL-6 (aber auch von IL-1), und auch anderen Zytokinen wie Interleukin (IL)-2, IL-8, IL-12, IL-3, IL-15, IL-17 und IL-23 für die synoviale Entzündungsreaktion verantwortlich ist. Darauf basierend wurden mittlerweile ein Reihe von Biologika entwickelt die verschiedene pro-inflammatorische Zytokine blockieren.
Blockierung der T Zell Kostimulation
Die Aktivierung von autoreaktiven T Zellen durch Auto-Antigen präsentierende Zellen (antigen presenting cell, APC) ist das initiale Ereignis in der Auslösung von verschiedenen Autoimmunerkrankungen. Eine Blockierung der Aktivierung von autoreaktiven T Zellen könnte daher den Krankheitsverlauf entscheidend beeinflussen und ist das Ziel der folgenden Therapieansätze.
Abatacept (Orencia®, ein Konstrukt aus der extrazellulären Domäne von CTLA-4 gebunden an einen modifizierten Fc Teil von IgG) blockiert durch seine Bindung an CD80/CD86 auf APCs deren Bindung an CD28 auf der T Zelle, und damit den als Signal 2 mit-verantwortlichen (Ko)Stimulus zur T Zell Aktivierung. Wirksamkeit und Safety Profil von Abatacept wurde in klinischen Studien getestet in denen sich Abatacept auch in Patienten nach Versagen von TNF Blockern als wirksam erwies[18, 19].
Belatacept, ebenfalls ein CTLA-4Ig Fusionsprotein, unterscheidet sich in seinem Aufbau von Abatacept nur in 2 Aminosäuren, weist in Vergleich zu Abatacept jedoch eine höhere Bindungsaffinität zu CD80/CD86 auf. Klinische Phase I/II Studien in Patienten mit RA wurden bereits durchgeführt.
Alternative Theapieansätze zur Bockierung der Kostimulation sind Antiköper wie RhuDex oder Galiximab die direkt gegen das kostimulatorische Molekül CD80 auf APCs gerichtet sind.
Anti-B Zell Therapien
B Zellen spielen eine wichtige Rolle in der Entstehung verschiedener rheumatologischer Erkrankungen aufgrund ihrer Fähigkeit zur Produktion von Autoantikörpern, jedoch auch in ihrer Funktion als APCs oder als Produzenten pro-inflammatorischer Zytokine.
Diese Überlegungen haben zur Entwicklung von Präparaten zur B Zell Depletion geführt, von denen Rituximab (MabThera®, ein chimärer anti-CD20 Antikörper) derzeit für die Therapie der RA in Kombination mit MTX zugelassen ist. Rituximab führt zu einer ca. 50%igen klinischen Verbesserung in ca. 30% der RA Patienten [20, 21] und ist auch bei Patienten nach Versagen eines TNF Blockers wirksam [22]. Rituximab wirkt bevorzugt in Rheumafaktor-positiven Patienten, wobei der genaue Wirkmechanismus jedoch nicht restlos geklärt ist. Rituximab depletiert Vorläufer B Zellen und reife B Zellen, jedoch nicht Plasmazellen für die Dauer von bis zu 6 Monaten. Ein neuerlicher Anstieg der Krankheitsaktivität geht üblicherweise mit dem Wiederauftreten von B Zellen Hand in Hand, kann jedoch auch ohne B Zellen vorkommen [23].
Eine Reihe von weiteren Präparaten zur B Zell Depletion ist derzeit in klinischer Erprobung. Ein Teil davon sind weiter entwickelte Antikörper gegen CD20 (Ofatumumab, Ocrelizumab, Tositumumab) bzw. gegen andere B Zell Oberflächen Moleküle wie CD22 (Epratuzumab) oder CD19+CD22 (DT2219). Ein anderer Teil blockiert Faktoren die für die Vitalität von B Zellen wichtig sind wie BAFF (Belimumab, Atacicept) oder greift die Zellen direkt über den B Zell Rezeptor an (Abetimus).
Blockierung von Adhäsionsmolekülen
An der Interaktion von T Zellen mit APCs sind neben dem Signal 1 (MHC Klasse II Moleküle und T Zell Rezeptor) und Signal 2 (siehe oben) auch verschieden Adhäsionsmoleküle beteiligt die zur Stabilisierung der Zell – Zell Interaktion beitragen. Darüber hinaus sind sie für die funktionellen Eigenschaften (Wachstum, Differenzierung und Migration) von Zellen wie Monozyten/Makrophagen, Osteoklasten und Endothelzellen, u.a. durch die Interaktion mit extrazellulären Matrix Molekülen, wichtig. Einzelne Präparate wie Efalizumab (Raptiva®, ein anti-CD11a Antikörper) wurden bereits aufgrund von Nebenwirkungen wieder vom Markt genommen, bei einem anderen Präparat (Natalizumab, Tysabri®, ein anti-VLA-4 Antikörper) wurden klinische Studien in RA Patienten aufgrund von ungenügender Wirksamkeit wieder eingestellt. Mit einem weiteren Präparat, Alefacept (Amevive®, ein Fusionsprotein aus dem extrazellulären Anteil von LFA-3 mit einem Fc Anteil von IgG) konnte in Kombination mit MTX in Patienten mit Psoriasisarthritis (PsoA) in 54% der Patienten eine zumindest 20%ige klinische Verbesserung erreicht werden[24]. Weitere Präparate wie z.B. MEDI-522 (Vitaxin, ein humaner Antikörper gegen a5b3-Integrine) wurden bei RA Patienten bisher in Phase II Studien getestet.
Blockierung intrazellulärer Signalübertragung und von Transkriptionsfaktoren
Pro-inflammatorische Zytokine wie TNF-alpha und IL-1 aktivieren eine Reihe von intrazellulären Signalübertragungswege die wiederum zur Transkription von unterschiedlichen Entzündungsmediatoren wie Chemotaxinen, Chemokinen und Zytokinen führen. Innerhalb dieser Signalübertragungswege spielen vor allem die p38 Mitogen-aktivierte Protein Kinase (p38 MAPK) und die c-Jun N-terminale Kinase (JNK 1, 2, 3) eine zentrale Rolle, weshalb für beide Kinasen eine Reihe von Inhibitoren entwickelt wurden. Diese stellen als sogenannte „small molecule Inhibitoren“ aufgrund ihres Aufbaus keine Biologika im engeren Sinne dar, werden mit diesen aber wegen ihrer parallelen Entwicklungsgeschichte häufig in einem Atemzug erwähnt.
Mehrere p38 MAP Kinase Inhibitoren konnten in einer Reihe von klinischen Studien bisher leider keine überzeugende Wirkung zeigen oder wiesen ein ungünstiges Nebenwirkungsprofil auf. Hingegen lassen erste Studien mit Janus Kinase (JAK) und Spleen Tyrosin Kinase (SYK) Inhibitoren auf einen möglichen Erfolg derartiger Präparate hoffen [25].
Blockierung von Osteoklasten
Osteoklasten sind Zellen die in der RA letztendlich für die aktive Zerstörung von Knochensubstanz verantwortlich sind [26, 27]. Denosumab ist ein humaner Antikörper und bindet an den Liganden (L) von RANK (Receptor Activator of Nuclear factor-kB). Damit blockiert er die Interaktion zwischen RANK und RANKL, die für die Differenzierung und Aktivierung von Osteoklasten ausschlaggebend ist. In einer klinischen Phase II Studie konnte an RA Patienten gezeigt werden, dass Denosumab in Kombination mit MTX die Progression von Knochenerosionen wirksam blockieren kann [28].
Die Notwendigkeit zur Entwicklung neuer Therapieansätze in Richtung einer targeted therapy
Generell haben Biologika zu einer Revolution in den Behandlungsmöglichkeiten von rheumatischen Erkrankungen geführt. Nichts desto trotz ist auch durch den Einsatz von Biologika eine Heilung von Erkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis (RA) nach wie vor nicht in Sicht, darüber hinaus gelingt eine komplette Remission nach strengen klinischen Kriterien in nur ca. 20% der Patienten [29].
Diese Tatsachen unterstreichen die Notwendigkeit für neue Theapieansätze zur Behandlung von rheumatologischen Erkrankungen.
Mindestens ebenso wichtig wird es jedoch sein, durch eine intensivierte Anstrengung auf dem Gebiet der Grundlagenforschung, ein besseres Verständnis über die einzelnen Schritte in der Pathogense von rheumatologischen Erkrankungen zu erzielen. Dies sollte auch die Entwicklung von verlässlichen Biomarkern ermöglichen mit deren Hilfe es gelingen könnte bereits in frühen Stadien der Erkrankung Aussagen zu Treffen hinsichtlich der Erfolgschancen einer bestimmten Therapie zu jeweiligen Zeitpunkt. Diese Stratefizierungen sind nicht nur für den einzelnen Patienten von Bedeutung um ineffiziente Therapieversuche frühzeitig zu vermeiden, sondern auch aus sozioökonomischer Sicht um optimale Therapieformen kosteneffizient einsetzen zu können.